


20. Dezember 2011
Reinraum am INKA in der Schweiz – Interview mit Prof. Dr.-Ing. Jens Gobrecht (2)
Im zweiten Teil unseres Interviews mit Prof. Dr. Jens Gobrecht, Leiter des INKA und Dozent der Fachhochschule Nordwestschweiz, geht es um die sogenannte Strukturübertragung sowie Nass- und Trockenätzprozesse und Nickel-Mikrogalvanik. Weiterhin stehen CVD- und PVD-Verfahren und ein Blick auf spezielle Pläne für die Zukunft im Fokus.
In den Reinräumen steht auch eine Ausstattung zur lithografischen Strukturierung zur Verfügung. Welche Erkenntnisse lassen sich mittels solcher Untersuchungen gewinnen?
Zum Beispiel die Klärung der Frage, wie kleine Strukturen in gegebenen Fotoresists überhaupt noch sicher auflösbar sind. Wir können mit unserer speziell entwickelten „Röntgen-Interferenz-Lithografie“ periodische Strukturen bis deutlich unter 10 Nanometer Strukturgröße belichten, und das mit einem „Schuss“ über Flächen von mehreren Quadratmillimetern. Erst bei diesen Größen zeigen sich einige der wirklichen Qualitätsmerkmale von Fotoresists und wir haben Aufträge von namhaften Halbleiter-Chipherstellen aus USA und Fernost, um die Qualität der Resists für die nächsten Chip-Generationen zu testen.
Weiterhin befassen sich Forscher und Studierende mit der sogenannten Strukturübertragung, also Nass- und Trockenätzprozesse sowie Nickel-Mikrogalvanik. Was müssen wir uns darunter vorstellen und für welche Branchen ist dieser Bereich besonders nützlich?
Mit der Belichtung einer kleinen Struktur in einen Fotoresist ist es ja nicht getan. Erst wenn man das in den Resist belichtete Muster in das darunter liegende Material übertragen hat, lässt sich damit etwas Nützliches anfangen, etwa in der Elektronik oder der Optik.
Die Strukturübertragung muss natürlich mit mindestens der gleichen Präzision erfolgen (meist in 3 Dimensionen!) wie die Belichtung der Struktur selbst. Alternativ zum Ätzen durch die weggelösten Bereiche des Resits kann man die Mikro- oder Nanostruktur auch durch Nickel-Galvanik in diesen Bereichen „aufbauen“.
Am Institut für Nanotechnische Kunststoffanwendungen – INKA“ steht zudem die sogenannte Dünnschichttechnologie mit verschiedenen CVD- und PVD-Verfahren im Fokus. Welche Erkenntnisse können aus diesem Bereich gewonnen werden, auch in Hinblick auf Produktionen und Sauberfertigungen?
Die Dünnschichttechniken allgemein dienen in der Mikro- und Nanofabrikationstechnologie den unterschiedlichsten Zwecken, etwa um optische, elektrische, magnetische oder mechanische Funktionen zu realisieren. Staubfreiheit ist da in aller Regel eine zentrale Forderung. Befinden sich Staubpartikel auf den zu beschichtenden Substraten, führt dies zu Defekten in der aufgetragenen Schicht, die in den meisten Fällen die Funktion der Bauteile beeinträchtigen oder verunmöglichen.
Oberflächentechnik steht damit also ganz oben auf der Prioritätenliste. Welche diesbezüglichen Erkenntnisse tangieren ganz besonders auch die Automobilindustrie?
Oberflächentechnik ist auch und gerade in der Automobilindustrie von herausragender Bedeutung, allein schon die Beschreibung nur der wichtigsten Einsatzgebiete würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Auf die Kunststoffe bezogen dürften die Minderung von Verschleiß, Wartung und Reinigung im Vordergrund stehen sowie die Optik und Haptik von Kunststoffoberflächen.
Mit welchen Plänen geht das „INKA“ in die Zukunft?
Wir werden die Stoßrichtung „Funktionalisierung von Polymer-Werkstoffen durch Nanotechnologie“ weiter verfolgen und intensivieren. Dazu kommen spezialisierte Aktivitäten im Mikro- und Nano-Spritzguss, insbesondere in der Medizinaltechnik und Analytik.
Der Grund für den Anwendungsbereich liegt in der Empfindlichkeit dieser Gebilde, was sie für Einweg-Anwendungen prädestiniert. Längerfristig werden wir uns auch mit „multi-scale composites“ befassen, das sind Verbundwerkstoffe, die neben Mikro-Komponenten (z.B. Fasern) auch kontrolliert eingebrachte Nano-Komponenten enthalten.
Was wünschen Sie sich als Wissenschaftler für den Bereich Technische Sauberkeit und Reinraum mittel- und langfristig und insbesondere auch für das Institut?
Im Bereich technische Sauberkeit wünsche ich mir, dass die in der Wissenschaft und den Labors erdachten Nanotechnik- Innovationen sich mit vertretbarem Aufwand auch in der industriellen Produktion umsetzen lassen. Das gilt für die Anlagen und die Umgebung, d.h. den Reinraum. Allgemein und für das Institut wünsche ich mir, dass wieder mehr junge Menschen sich für ein Ingenieur- oder naturwissenschaftliches Studium entscheiden. Leider ist seit einiger Zeit in Mitteleuropa eine gewisse „Technik-Müdigkeit“ bei der jungen Generation zu beobachten, die mittelfristig bei uns und unseren Partnern und Kunden zu Rekrutierungsproblemen führen könnte.
*Vita Prof. Dr. Jens Gobrecht
Jens Gobrecht wurde 1951 in Berlin geboren und studierte Physik an der Technischen Universität Berlin; Abschluss 1976 als Dipl.-Ing.; Promotion 1979 an der TU Berlin mit einer Arbeit über neuartige Photovoltaik-Zellen. 1979 – 1981 Forschungsaufenthalt an einem Energieforschungsinstitut in den USA, danach 12 Jahre in der industriellen F&E bei ABB-Schweiz. Arbeitsgebiete dort: Bipolar-MOS Leistungshalbleiter, Halbleiter Packaging und leistungselektronische Systeme. Ab 1993 am Paul Scherrer Institut verantwortlich für die Nanotechnologie-Forschung und ab 2004 zusätzlich an der Fachhochschule Nordwestschweiz Dozent und Leiter des INKA.
– Das Interview führte Ursula Pidun –
Weitere Interviews:
Reinraum an der Johannes Kepler Universität Linz – Interview mit Univ.-Prof. Dr. Friedrich Schäffler
Reinraum am Institut für Halbleiterphysik in Linz – Interview mit Univ.-Prof. Dr. Friedrich Schäffler (2)
Reinraumtechnik – Interview mit Dr. Lothar Gail
Reinraum der Klasse 1 im INA der Uni Kassel – Interview mit Dr. rer. nat. habil. Martin Bartels
Der reinste Reinraum der Welt
Reinster Reinraum – Interview mit Dipl.-Biol. Markus Keller
Technische Sauberkeit – INTERVIEW mit Dipl.-Ing. Hans Illig (Teil 1)
Interview mit Dipl.-Ing. Hans Illig (Teil 2)
CO2-Schneestrahltechnik – Interview mit Dipl.-Ing. Hans-Jörg Wössner
Österreichische Reinraumgesellschaft (ÖRRG) – Interview mit Ing. Roman Czech
Zukunft Reinraumbekleidung: INTERVIEW mit Carsten Moschner
« Reinraum an der Fachhochschule Nordwestschweiz – Interview mit Prof. Dr.-Ing. Jens GobrechtMessverfahren – die Abklingmessung »